Übergabe der Maturazeugnisse
in der Residenz der österreichischen Botschaft am 13. Juni 2024

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe ehemalige 6A,

jetzt ist er da, der große Tag. Sechs sicher herausfordernde Jahre, wovon ich Euch drei habe begleiten dürfen, liegen hinter Euch und in Kürze werdet Ihr ein österreichisches Maturazeugnis in Händen halten.
Das erfordert doch das ein oder andere Wort – und Ihr könnt Euch schon denken, um was diese sich drehen werden – richtig: Marathonlauf, John Irving und ein wenig Philosophie. Aber wo anfangen?
Mit Euren Leistungen in den Jahren am Österreichischen Gymnasium habt ihr zwei Dinge schon einmal bewiesen: Ihr seid dem leider oft verbreiteten adoleszenten Nihilismus nicht auf den Leim gegangen, sondern habt fleißig und zielorientiert an Euch gearbeitet. Wir durften heuer staunen, wie Ihr Eure persönlichen Interessen in Form von beeindruckenden vorwissenschaftlichen Arbeiten entfalten konntet. Bei der mündlichen Matura konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass aus Euch doch recht schnell Erwachsene mit beachtlichem Potential wurden. Kleine Randbemerkung: selbst die Englischmatura mit compare and contrast, etc. war zur Zufriedenheit aller meist auch intellektuell durchaus ansprechend – ein Novum sozusagen.
Nun zum Marathonlauf, eigentlich ein monopolisiertes Redeelement von unserem Schulratsvorsitzenden Dr. Hanslik, aber heute darf ich. Bei Eurer Maturafeier habe ich mich länger mit einem Eurer Kollegen über das Laufen unterhalten. Wir kamen dabei zum Schluss, dass die Matura wohl mehr einem Halbmarathon als der Volldistanz entspricht. Der Marathon wartet auf Euch an der Universität Eurer Wahl und später im Berufseinstieg, und da würde ich Euch gerne meine two cents, wie es im Amerikanischen so schön heißt, mit auf den Weg geben. Mit besagtem Kollegen haben wir auch darüber gesprochen, wie sich Läuferinnen und Läufer ob der Qual oft schon das Ziel herbeisehnen und dabei ganz darauf vergessen, dem Jetzt seine verdiente Bedeutung zu geben, dann aber im Rückblick mit Bedauern den Weg und nicht das Ziel als die eigentliche transformative Erfahrung betrachten. Möge es Euch gelingen jeden einzelnen Tag Eurer diversen Studien zu schätzen, zu würdigen und in Eurem Tun und Lernen wirklich voll und ganz aufzugehen.
Und ein letztes: Ich habe Euch mit John Irvings The Cider House Rules bekannt gemacht, einem wirklich wichtigem Werk ob seiner kritischen Inhalte. Einer meiner liebsten – nennen wir es – literarischen comfort characters entspringt aber dem Roman The Hotel New Hampshire: Der Großvater Coach Bob, oder auch Iowa-Bob genannt, ein ehemaliger Footballcoach, Kraftprotz und ruhender Pol in der Großfamilie, der seinem Enkel John das Trainieren mit Gewichten beibringt. Einer seiner Standardsprüche hat mich seit der Lektüre als Gymnasiast immer begleitet:
You’ve got to get obsessed and stay obsessed.
Das wünscht Euch Euer ehemaliger Klassenvorstand: auf der Suche nach neuen Horizonten, Erfolgen, aber auch bei Rückschlägen: dass Ihr Euer Leben leidenschaftlich begeht, alles gebt und dabei vor allem ganz bewusst seid und bleibt.

© Dr. Mathias Sajovitz

© MMag. Silvia Neumayer El Bakri, MA